Ausgabe #04

Sommer 2019

Editorial

liebe leser*innen,

manche fragen stellen sich uns immer wieder. das können ganz banale fragen sein wie „warum die gottesanbeterin als kopf eines feministischen magazins?“ oder tiefergreifende „was will man mit einem magazin erreichen und tue ich das richtige?“ auf beide dieser fragen möchte ich in diesem editorial antworten finden.

aber fangen wir mal mit der einfacheren frage an, sofern es denn überhaupt einfache fragen gibt. die erzählungen
von feminist*innen, welche nicht von flint* personen verfasst wurden, teilen häufig ein narrativ der zerstörung. der feminismus zerstört die bürgerliche klein-
familie, setzt den haussegen schief, macht unsere sozialen
rollengefüge kaputt und natürlich auch die männer an sich. welch besseres kleines tierchen könnte nun also eben jene menschen erschrecken als eines welches männer doch tatsächlich verspeist? als ich auf einem, nebenbei
sehr schrecklichen date, sagte ich sei feministin, musste auch dieser arme mann ans männerfressen denken. 

als sich mein feministisches engagement auf mehr als hitzige diskussion online und im realen leben ausweitete,
kam mir dieses erlebnis immer wieder in den sinn.
es erschien mir so wahnsinnig komisch eine ganze
bewegung nur mit diesem einen insekt zu verbinden.
aber da ich so trotzig bin, wie ich bin konnte ich es mir nicht nehmen lassen und diesen witz, diese fälschliche annahme, augenzwinkernd mit anderen zu teilen.
lachen ist in gesellschaft nunmal umso schöner.

und nun gibt es seit fast einem jahr ein intersektional feministisches magazin, welches den kopf der gottesanbeterin trägt, obwohl wir männer manchmal weder fressen noch ficken wollen. so ist das leben.

vor einiger zeit wurden print medien als tot erklärt. nicht, dass das eine neuerung wäre, viele dinge wurden schon für tot erklärt bevor der puls richtig gemessen wurde. die kunst ist tot, gott ist tot, die literatur ist tot und dennoch betätigen wir uns künstlerisch, glauben und schreiben weiterhin bücher. alle dieser sätze konstatieren etwas: einen gesellschaftlichen oder persönlichen
glauben an etwas. außer arten sterben dinge heute nicht so einfach aus. schreibmaschinen und plattenspieler sind wieder im trend und keine*r würde mehr behaupten
platten seien tot. das einzige was sich verändert hat ist unsere wahrnehmung, wir finden für tot erklärte dinge oldschool und deshalb cool. die generation „früher war alles besser“ bedient sich gerne dieser vintage objekte. 

ich glaube nicht an den tod der print medien, ich glaube sie müssen nur einfach besser werden und lernen wo sie herkommen. in zeiten in denen es noch kein facebook oder twitter gab haben menschen sehr viel papier verwendet um gedanken zu konservieren. und in einigen fällen tun wir das ja auch heute noch: kalender, tagebücher, küchenrolle und so weiter. aber mal ehrlich, es gab zeiten da haben flugblätter noch lebensrealitäten verändert und revolutionen angeregt, da wurden unfassbar hohe auflagen
vom kursbuch gedruckt und menschen saßen mit paper in der hand wo auch immer und diskutierten. diese lese- und gesprächskultur meine ich, wenn ich vom einreihen in gute traditionen spreche. ich meine den ursprung
feministischer zine-kultur der riot grrrls und die
leselust der 68er bewegung.

für mich drückt ein magazin auf papier eine wertschätzung
und ein erinnern aus. Vergessen wir diese menschen und ihre anliegen nicht.

in diesem sinne wünsche ich wieder viel vergnügen beim lesen!

eve d'obier, Herausgeberin

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