Ausgabe #12

Sommer 2021

Editorial

liebe leser*innen,

das cover der letzten ausgabe war ein ausblick in eine intersektionale zukunft. und mit mantis magazine
versuche ich diese immer wieder neu zu zeichnen. einige von euch fragen sich sicher, was das bedeutet oder wie dies zu etablieren ist. letzteres ist eine frage, welche sich mir als herausgeberin und aktivistin täglich stellt. daher möchte ich in diesem editorial nochmal näher auf das konzept der intersektionalität eingehen und die relevanz in heutigen zeiten sichtbar machen. 

intersektionalität entspringt dem englischen wort ‚intersection‘, was so viel wie kreuzung bedeutet. diese perspektive soll die überschneidungen von diskriminierungsformen deutlich machen. genau diese betrachtung ist einerseits aus forschungsperspektive notwendig, um die mechanismen hinter ihnen besser zu verstehen und greifbar zu machen. andererseits bietet es uns als aktivist*innen und beobachtenden der welt die möglichkeit lebensrealitäten präziser zu beschreiben. erst 1989 taucht der begriff intersektionalität dank kimberly crenshaw in der forschung auf und findet damit erstmals eine akademische heimat. doch das ist nicht der anfang. bereits 1851 beschäftigte sich die ehemalige sklavin und menschenrechtsaktivistin sojourner truth mit der intersektion von sexismus und rassismus. auf der women’s rights convention in chicago stellt sie die frage der bearbeitung dieser intersektion in feministischem aktivismus. ihre berühmte rede
‚ain’t i a woman?‘ ist ein plädoyer und eine herausforderung an weiße, priviligierte feminist*innen, die bisher nur für ihre eigenen rechte gekämpft haben. denn was ist mit den vielen menschen, die andere lebensumstände haben als eine weiße bürgerliche frau zu sein? dieser frage muss sich der feminismus annehmen! mit dem ursprung im schwarzen feminismus gerät das konzept der intersektionalität nach und nach immer mehr auf den radar der forschung und aktivist*innenkreise.

intersektionaler feminismus bedeutet sich nicht nur mit der eigenen lebensrealität auseinanderzusetzen, sondern die welt als ganzes zu betrachten. sich selbst einzugestehen in bestimmten intersektionen priviligiert zu sein und aus dieser perspektive heraus einen reflektionsprozess zu beginnen. ‚check your priviledge‘ ist nur ein kleiner teil dieses weges. es ist wichtig menschen mitzudenken, die nicht die gleichen erfahrungen machen wie man selbst. es ist wichtig sich darüber zu informieren, was andere lebensrealitäten sind. es ist wichtig zu verstehen, wie bestimmte unterdrückungsmechanismen zusammenhängen. es ist wichtig aktivismus so zu gestalten, dass er für alle kämpft! ’niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind.‘ hat erich mühsam mal gesagt und wir sollten uns das zu herzen nehmen. denn es ist heuchlerisch von feministischen schwestern zu sprechen und damit nur cis frauen zu meinen. es ist absurd die lebensrealität von rassistischer und sexistischer unterdrückung schwarzer frauen, nichtbinärer und trans personen nicht in den feminismus zu inkludieren. was haben wir von den vielen girls bosses, wenn sie weiterhin frauen mit behinderung oder poc schlechter bezahlen? was bleibt von der ganzen ‚girl power‘ übrig, wenn die versprechungen nicht für queere frauen gelten? was haben wir von einer welt, die wenn ich sage, dass feminismus intersektional oder bullshit ist, dann meine ich genau dieses sentiment. ich bin feministin, weil ich für alle menschen kämpfen möchte, die unter den unterdrückungsmechanismen dieser welt leiden. und ich hoffe, dass seid ihr auch. 

viel spaß mit einer neuen, geballten ausgabe voller intersektional feministischen inhalte.

eve d'obier, Herausgeberin

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